Durch Kriege, Katastrophen oder Flucht und Vertreibung werden Familien auseinandergerissen. Der DRK des Kreisverbandes Grafschaft Bentheim hilft bei der Familienzusammenführung und bietet einen Suchdienst an.
Von Elisabeth Kemper
NORDHORN Silvia Meyer ist in Nordhorn die Zuständige für den Suchdienst und die Familienzusammenführung des Deutschen Roten Kreuzes. „Seit den 1990er-Jahren kamen rund 4,4 Millionen Aussiedler bzw. Spätaussiedler über die Jahre nach Deutschland zurück und auch diese lassen sich noch heute über den Suchdienst und den Familiennachzug finden“, sagt Silvia Meyer. Aber auch vielen Flüchtlingen, die es nach Deutschland geschafft haben, ihre Angehörigen jedoch zurücklassen mussten, kann über die Familienzusammenführung geholfen werden.
Hasan Al Halik ließ über den Suchdienst seine Familie nachholen. Er war aus seiner syrischen Heimat nach Deutschland geflüchtet, allerdings ohne seine Frau Sahar und seine beiden Töchter Hadeel (14) und Bailasan (6). Im Juli 2017 erfolgte der erste Kontakt mit dem Zentrum für Migration und Flüchtlinge. Hasan Al Halik stand zu diesem Zeitpunkt jedoch unter dem „Subsidiären Schutz“ und hatte somit keinen Rechtsanspruch. Der Familiennachzug war ihm somit per Gesetz untersagt. Im August 2018 trat dann das „Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten“ in Kraft. Demnach konnten 1000 Menschen pro Monat zu ihren Angehörigen nach Deutschland kommen. Auch für die Familie Al Halik bedeute das die langersehnte Familienzusammenführung nach drei Jahren der Trennung. Doch der Weg war lang und Silvia Meyer unterstützte die Familie dabei intensiv.
„Der erste Versuch bei der Botschaft scheiterte, obwohl alle Papiere vollständig waren. Frau und Töchter mussten den ganzen Weg nach Beirut zur Botschaft schließlich noch einmal auf sich nehmen. Im Oktober 2018 konnten sie endlich in Deutschland einreisen“, erzählt Meyer. Ingrid Kränzel ist jetzt als ambulante Flüchtlingsbetreuerin für die Familie Al Halik zuständig und begleitet diese bei verschiedenen Terminen.
„Wenn es ein Familienmitglied beispielsweise bis nach Deutschland geschafft hat, aber der Rest der Familie noch in Syrien ist, gibt es die Möglichkeit, die Familie über die Botschaft wieder zusammen zu führen“, erklärt Meyer. Die Menschen werden dann bei der Familienzusammenführung unterstützt, da viele Papiere für dieses Verfahren notwendig sind.
„Wir buchen dann einen Termin in der deutschen Botschaft. Es dauert dann rund ein Jahr bis zu diesem Termin. In der Zeit können die Papiere wie Pass, Geburts- oder Heiratsurkunden gesammelt werden“, sagt Silvia Meyer. Rund zwei Jahre dauert es, bis Familienangehörige nach Deutschland einreisen dürfen. „Erschwert wird das Ganze durch sich schnell ändernde Gesetze. Zum Beispiel wurde das Familiennachzugsgesetz im August letzten Jahres dahingehend verändert, dass nur noch 1000 Menschen pro Monat für ganz Deutschland zu ihrer Familie nachziehen dürfen, wenn der Flüchtling den subsidiären Schutzstatus hat. Das ist wirklich nicht besonders viel“, sagt Meyer. Zurzeit stehen bereits 36.000 Menschen auf der Warteliste, da von 2016 bis 2018 Familien nicht nachgeholt werden durften – der Familiennachzug war in dieser Zeit ausgesetzt.
Neben der Familienzusammenführung gibt es auch den Suchdienst. Dieser ist keine Neuerfindung: Seinerzeit gab es die „Vermisstenbildliste“: ein dickes Buch mit Fotos der vermissten Personen aus dem Zweiten Weltkrieg. Heute geht es über das Internet mit dem Dienst „Trace the face“.
Nachdem 2015 der Flüchtlingsstrom wieder zugenommen hatte, ist auch der Suchdienst neu aufgelegt worden – aber in digitaler Form. Die Hauptherkunftsländer der Suchenden oder der Gesuchten sind Afghanistan, Syrien, Somalia und Eritrea. Über „Trace the Face“ können Menschen ihre Angehörigen suchen. Dabei ist die Internetseite anonym aufgebaut – es gibt lediglich ein Foto und einen Vermerk, wer genau gesucht wird. Der Rest läuft ausschließlich über das DRK.
„Beispielsweise landen Frau und Kinder auf einem Boot, der Mann bleibt zurück, wird in seinem Land aber verfolgt und versucht es über einen anderen Fluchtweg. Die Familie ist getrennt. Nun haben sie die Möglichkeit sich über den DRK-Suchdienst zu melden. Dieser ist durch die Rotkreuz- und die Rothalbmondgesellschaft weltweit vernetzt, so können sich die Menschen bei einer Stelle in ihrer Nähe melden“, erklärt Silvia Meyer „Das Suchanliegen geht dann nach München, dort nutzen sie ihre Kontakte aus anderen Ländern. Da weder der Postweg noch der Telefonanschluss in den problematischen Ländern sicher ist, überbringt ein Mitarbeiter vom Roten Kreuz die Nachricht. Da ist es natürlich von Vorteil, dass es das DRK überall auf der Welt gibt.“
2015 kam eine Welle von rund 600.000 geflüchteten Menschen nach Deutschland, aber erst langsam fingen die Menschen an ihre Familienangehörige zu suchen. „Sie haben natürlich Angst vor der Antwort.“ Denn es seien viele Menschen auf der Flucht über das Meer oder über Land gestorben: „Je gefährlicher die Fluchtrouten, desto mehr Tote, Verschwundene und getrennte Familien. Viele trauen sich erst nicht und wollen die Hoffnung behalten. Jedoch ist es wichtig zu wissen, was mit ihnen passiert ist und möglicherweise auch Abschied nehmen zu können“, sagt Silvia Meyer. Über Datenbanken wird jetzt langsam angefangen die Verstorbenen zu identifizieren, soweit das eben möglich ist.
Seit zweieinhalb Jahren arbeitet Meyerbeim Suchdienst: „Man ist nah an den Geschichten der Menschen dran und bekommt vieles an Leid mit. Dennoch ist eine tolle Sache mit den Menschen zu arbeiten und ihnen zu helfen.“
Hilfe im Zentrum für Migration: Im Zentrum für Migration und Flüchtlinge des DRK Grafschaft Bentheim, zu dem auch das Flüchtlingswohnheim an der Veldhauser Straße gehört, arbeiten 13 Mitarbeiter. Sie sind zuständig für die ambulante Betreuung, den Suchdienst und Beratung. In Niedersachsen gibt es neun Beratungsstellen für Suchdienst und Familienzusammenführung, Nordhorn ist eine davon und bis Osnabrück und Melle dafür zuständig. Weitere Informationen gibt es bei Silvia Meyer, Suchdienst und Familienzusammenführung des DRK, Telefon 05921 883683, Email meyer@drk-grafschaft-bentheim.de.
Silvia Meyer mit einer Vermisstenbildliste aus dem Zweiten Weltkrieg. Fotos: Kemper