Nordhorn Jule ist 15 Jahre alt und wegen einer schweren Erkrankung seit ihrer Geburt auf ein Beatmungsgerät angewiesen, das Zimmer der jungen Nordhornerin gleicht einer kleinen Intensivstation. Damit bei Komplikationen sofort professionelle Hilfe zur Stelle ist, wird sie rund um die Uhr von einer Pflegefachkraft betreut. Außerklinische Intensivpflege nennt sich das Angebot, welches das Deutsche Rote Kreuz in der Grafschaft bereits seit 2003 vorhält. 90 Mitarbeiter gehören dieser besonderen Abteilung des DRK-Pflegeteams an, deren Tätigkeit sich weit über die Grenzen der Grafschaft hinaus erstreckt: Aktuell werden 24 Patienten innerhalb eines Radius von rund 100 Kilometern versorgt.
Die Diagnosen der größtenteils minderjährigen Betreuten fallen ganz unterschiedlich aus und reichen von Krampfleiden über angeborene Gendefekte bis hin zu den Folgen einer problematischen Geburt. Entsprechend individuell kommt die jeweilige Betreuung daher: Eine 24-Stunden-Versorgung ist ebenso möglich wie die Begleitung zum Kindergarten, zur Schule oder einer ähnlichen Einrichtung bis hin zur Arbeit.
Fachkräfte sind ganz für den Patienten da
Ausschließlich examinierte Fachkräfte – also Gesundheits- und Krankenpfleger, Kinderkrankenpfleger und Altenpfleger – kommen in der Außerklinischen Intensivpflege zum Einsatz. Nach Antritt der Stelle absolvieren sie innerhalb von zwei Jahren eine spezielle Zusatzausbildung, die auf die spezifischen Herausforderungen dieser außergewöhnlichen Form der Pflege eingeht. Ebenso wird für neue Kräfte stets ein individuelles Einarbeitungskonzept erstellt.
Jule braucht rund um die Uhr Betreuung. Die Unterstützung durch das DRK bedeutet Entlastung für die Eltern. Foto: DRK
Einige Mitarbeiter haben zuvor in stationären Einrichtungen gearbeitet – so wie etwa Kirsten Boll, die regelmäßig am Bett von Jule wacht: „Man baut eine ganz andere Beziehung zu den Patienten auf als im Krankenhaus“, berichtet sie. Und vor allem: Man ist auf sich alleine gestellt. Die Kontrolle der Beatmung und die Medikamentengabe zählen ebenso zu ihren Aufgaben wie die Körperpflege der Betreuten sowie die Absprache mit Ärzten und der Familie. Auch der Spaß darf nicht zu kurz kommen, sodass zum Beispiel Spaziergänge unternommen werden oder – wenn möglich – sogar die Begleitung von Konzertbesuchen oder Jugendfreizeiten erfolgt.
Entlastung für die Angehörigen
Drei Kollegen teilen sich die Teamleitung und sind somit stets im Wechsel pflegerisch oder im Büro tätig. Eine von ihnen ist Jessica Biernat, die sich durch den Mehrwert der Außerklinischen Intensivpflege in ihrer Arbeit motiviert sieht: „Es ist gut zu wissen, dass man unterstützend arbeitet. Wir entlasten die Eltern in jeder Form und ermöglichen den Kindern viele Dinge, die sonst nicht umsetzbar wären“, sagt sie. Auch schätzt sie das Prinzip der Eins-zu-Eins-Betreuung: „Ich kann einer Person meine volle Aufmerksamkeit schenken und habe nicht den Druck, dass dort noch andere Patienten wären, um die ich mich kümmern müsste.“
Für die Gesamtleitung und die Koordination der Außerklinischen Intensivpflege ist seit Ende 2017 Jens Scharf verantwortlich. Die Abteilung ist wiederum der Pflegeteam gGmbH des DRK-Kreisverbands Grafschaft Bentheim angegliedert, welcher Pflegedienstleiter Lars Kerperin und dessen Stellvertreterin Viktoria Raaz vorstehen. Immer wieder trifft Jens Scharf auf Menschen, die gar nicht wussten, dass das DRK in der Grafschaft solch ein Angebot bereithält – dabei ist der Bedarf so groß, dass nicht jede Patientenanfrage bedient werden kann.
Titelfoto: Kirsten Boll (Mitarbeiterin der Außerklinischen Intensivpflege des DRK Grafschaft Bentheim) mit Jule Vähning. Foto: DRK